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Obwohl die Online-Shop-Betreiber erst im Juni dieses Jahres die auf der Grundlage der Umsetzung der EU-Verbraucherrechterichtlinie (2011/83/EC) in Kraft getretenen weitreichenden Änderungen der Verbraucherrechte (insbesondere die neuen Regelungen des Widerrufsrechts) in die Praxis umsetzen mussten, stehen bereits neue Änderungen im eCommerce an: Ab 1. Januar 2015 müssen Online-Händler, welche Leistungen an Endkunden in einem EU-Land (B2C-Umsätze) auf elektronischem Wege erbringen, die Umsatzsteuer in dem EU-Land abführen, in welchem der Kunde ansässig ist (sog. Bestimmungslandprinzip).

Bislang erfolgte die Besteuerung von solchen B2C-Umsätzen innerhalb der EU nach dem Ursprungslandprinzip, d. h. der Online-Anbieter stellte jeden seiner privaten Endkunden, die in seinem Land gültige Umsatzsteuer in Rechnung. Lediglich bei Kunden aus einem EU-Drittland galt bereits das Bestimmungslandprinzip. Ab 2015 wird das Bestimmungslandprinzip jedoch auch auf Umsätze innerhalb der EU ausgeweitet. Grundlage für die Änderung ist die Richtlinie 2008/8/EG vom 12. Februar 2008, deren Umsetzung Anfang nächsten Jahres gleichzeitig in allen EU Mitgliedsstaaten in Kraft treten wird.

Welche Geschäfte sind von den Änderungen betroffen? Betroffen sind Geschäfte, die ein Unternehmer mit einem Endkunden, der in der EU ansässig ist, schließt. Voraussetzung ist weiter, dass die Leistung des Unternehmers „auf elektronischem Wege erbracht wird“.

Folgende Praxisfälle können für die wichtigsten elektronischen Leistungen angeführt werden:

  • Hosting-Angebote
  • Streaming-Angebote
  • Kostenpflichtige Mitgliederportale
  • Betreiber von Online Datenbanken
  • Downloads von Filmen oder Musik
  • Anbieter digitaler Bilder oder E-Books
  • Betreiber von Online Verkaufsplattformen
  • Online-Seminar Angebote

Von den Änderungen sind auch Unternehmer betroffen, die außerhalb der EU sitzen und elektronische Leistungen in der EU anbieten.

Welche Geschäfte sind nicht von den Änderungen betroffen? Verträge über elektronische Leistungen ausschließlich zwischen Unternehmern (B2B) sind nicht von der Neuregelung betroffen.

Ebenfalls nicht betroffen sind Verträge, die über das Internet zu Stande kommen und ausschließlich physische Ware zum Gegenstand haben.

Was ändert sich konkret? Bei Geschäften innerhalb der EU müssen Online-Anbieter ab Januar 2015 die Umsatzsteuer in dem Land abführen, aus dem der (private) Endkunde kommt (sog. Besteuerung nach dem Bestimmungslandprinzip):

  • Wenn etwa ein spanischer Nutzer bei einem deutschen Anbieter ein E-Book kauft und herunterlädt, muss der deutsche Anbieter die Umsatzsteuer in Spanien abführen.
  • Im umgekehrten Fall, wenn ein deutscher Nutzer bei einem spanischen Anbieter ein E-Book kauft und herunterlädt, muss der spanische Anbieter die Umsatzsteuer in Deutschland abführen.

Einführung eines sog. „Mini-One-Stop-Shop“ (Ein-Ort-Registrierung) für die in einem EU-Staat ansässigen Unternehmer von elektronischen Dienstleistungen mit der Folge, dass sich der EU-Unternehmer nicht in sämtlichen Mitgliedstaaten registrieren muss. Der Unternehmer hat dann in seinem Ansässigkeitsstaat eine gesonderte Erklärung mit allen Umsätzen aus elektronischen B2C-Dienstleistungen innerhalb der EU abzugeben. Die Aufteilung und Weiterleitung des Steueraufkommens an die Mitgliedstaaten obliegt dann der Verwaltungsbehörde.

Änderung bzw. Anpassung der Preisauszeichnung gegenüber dem Endkunden, da nunmehr
Abrechnung gegenüber dem Endkunden mit der jeweils für sein Land geltenden Umsatzsteuer, d.h. im äußersten Fall ist das Vorhalten von 28 Abrechnungs- und Preisauszeichnungsmöglichkeiten notwendig.

Auftretende praktische Probleme Die Neuregelung führt dazu, dass sich Unternehmer, die elektronische Leistungen EU-weit anbieten, verstärkt mit dem Umsatzsteuerrecht am Standort ihrer Kunden innerhalb der EU auseinandersetzen müssen, da trotz der grundsätzlichen Harmonisierung durch die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie im Detail erhebliche Abweichungen zwischen den EU-Mitgliedsstaaten bestehen.

Es besteht ab Januar 2015 die Notwendigkeit für jedes EU-Land, in dem die elektronische Dienstleistung erbracht wird, eine auf die jeweils geltende Umsatzsteuer angepasste Preisauszeichnung und Abrechnung vorzuhalten.

Die „Mini-One-Stop-Shop-Anwendung“ darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Umsätze zwar nur in einem, aber weiterhin für verschiedene Mitgliedstaaten geschuldet werden und dem dortigen Regelungsregime unterliegen.

Es besteht ab Januar 2015 die Notwendigkeit eines Nachweises über den Standort des Leistungsempfängers bzw. Verbrauchsorts, der im Bereich elektronisch erbrachter Dienstleistungen nicht mit dem konventionellen Nachweis (Ausweis, Pass) führbar ist. Als praktikabelste Lösung erscheint die Lokalisierung über die IP-Adresse des Endkunden.

Was muss in der Praxis getan werden? Antragstellung bzw. Registrierung beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) für die Teilnahme an der Verfahrenserleichterung „Mini-One-Stop-Shop“ für die Umsatzsteuer auf elektronische Dienstleistungen.

Betroffene deutsche Unternehmer können seit dem 1. Oktober 2014 beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) die Teilnahme an der Verfahrenserleichterung „Mini-One-Stop-Shop“ für die Umsatzsteuer auf elektronische Dienstleistungen beantragen. Damit können die in den übrigen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ausgeführten Umsätze, die unter die Neuregelung fallen, zentral beim BZSt erklärt und die Steuer insgesamt entrichtet werden. Die Antragstellung ist im Online-Portal des BZSt unter https://www.elsteronline.de/bportal/bop/Oeffentlich.tax  möglich.

Jeder Unternehmer aus der EU oder einem Drittland, welcher elektronische Leistungen EU-weit anbietet, muss sich mit steuerrechtlichen Fragen (und Meldepflichten) in jedem EU-Land, in dem er seine elektronische Leistungen anbietet, befassen.

Mit Blick auf den Umstand, dass die verschiedenen EU-Länder verschiedene Steuersätze haben und Preise gegenüber Privatkunden immer einschließlich der Umsatzsteuer dargestellt werden müssen, müssen die Preisauszeichnung auf der Internetseite und die Rechnungsstellung umgestellt werden.
Der Standort des Leistungsempfängers der elektronischen Leistung sollte an Hand der IP-Adresse lokalisiert und nachgewiesen werden können.

Parallel hierzu muss die eigene Buchhaltung an die Problematik der unterschiedlichen Umsatzsteuersätze im Rahmen der Umsatzsteuervoranmeldung angepasst werden, damit die Umsatzsteuer korrekt abgeführt wird.