Vor der letzten Europawahl hatte die Kommission noch eilig ein wichtiges Projekt auf den Weg gebracht, indem sie ihren Entwurf einer Know-How-Richtlinie veröffentlichte. Dann geschah längere Zeit nichts, bis die am Rechtssetzungsverfahren Beteiligten Ende 2015 unerwartete Aktivität entfalteten. Zwischenzeitlich liegt ein überarbeiteter Richtlinienentwurf vor, der noch in diesem Jahr das Europäische Parlament passieren soll.

„Es ist an der Zeit“, ist man versucht zu sagen. Denn betriebliches Know-How kaufmännischer oder technischer Art stellt einen entscheidenden Wettbewerbsfaktor dar und kann existenziell für ein Unternehmen sein, um sich im internationalen Wettbewerb gegenüber Mitbewerbern zu behaupten. Der aktuelle Richtlinienentwurf soll den Schutz von Geschäftsgeheimnissen signifikant verbessern, beispielsweise indem Know-How einen ähnlichen Status wie ein gewerbliches Schutzrecht erhält. In einigen Punkten erfüllt der Entwurf allerdings nicht die berechtigten Erwartungen der Wirtschaft. Wenn die Richtlinie – wie zu erwarten – in dieser Fassung verabschiedet wird, müssen sich die Inhaber von Know-How auf diverse Änderungen einstellen:

Was kommt?

Definition des Geschäftsgeheimnisses In enger Anlehnung an die Vorgaben des TRIPS-Abkommens stellt Art. 2 I RL-E drei kumulative Voraussetzungen für das Vorliegen eines Geschäftsgeheimnis auf: Die betreffende Information muss (i) geheim, d. h. weder allgemein bekannt noch ohne Weiteres zugänglich sein; (ii) kommerziellen Wert haben und (iii) Gegenstand von „angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen“ sein. Das dritte Kriterium ist aus deutscher Sicht neu, da gemäß der Rechtsprechung ein Geschäftsgeheimnis bereits dann anzunehmen ist, wenn geheime Tatsachen von kommerziellem Wert nach dem erkennbaren subjektiven Willen des Inhabers geheim gehalten werden sollten. Der Geheimhaltungswille wird dabei großzügig vermutet. Sollte der deutsche Gesetzgeber sich entscheiden, die bisherige Definition zu ändern, müssten die Unternehmen unbedingt aktiv „angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen“ ergreifen, also z.B. klar Vorgaben machen, wie mit sensiblen Informationen umzugehen ist (Dokumente zugriffssicher ablegen, etc.).

Know-How als quasi-Schutzrecht Wie eingangs erwähnt, „adelt“ der Richtlinienentwurf das Know-How, indem es dogmatisch dem Status eines gewerblichen Schutzrechts angenähert wird. Sofern die Voraussetzungen für ein Geschäftsgeheimnis erfüllt sind, wird dieses ähnlich z.B. einem Patent gegen Eingriffe geschützt.

Die Richtlinie beschränkt sich jedoch nicht nur auf die Ausgestaltung der Eingriffstatbestände. Aufmerksamkeit sollte der Geheimnisträger auch dem Katalog der rechtmäßigen Handlungen in Art. 2a RL-E widmen. Weniger gefallen wird den Unternehmen dabei die Regelung des Art. 2a I b RL-E, wonach der Erwerb von Geschäftsgeheimnissen rechtmäßig ist, wenn diese durch „Beobachtung, Untersuchung, Rückbau oder Testen eines Produkts oder Gegenstands, das bzw. der öffentlich verfügbar gemacht wurde“, gewonnen wurden. Diese Regelung stellt einen Paradigmenwechsel in Bezug auf die Beurteilung des „Reverse Engineerings“ dar. Im internationalen Vergleich nimmt das deutsche Recht derzeit eine Sonderstellung ein. Gemäß § 17 Abs. 2 UWG kann die unbefugte Verschaffung eines verkörperten Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses strafbar sein, wenn dieses mithilfe technischer Mittel unter Aufwendung erheblich großer Mühen erworben wurde. Nach Verabschiedung der Richtlinie und deren nationaler Umsetzung müssen sich die Geheimnisträger daher darauf einstellen, dass der Schutz vor „Reverse Engineering“ nur noch auf dem Vertragswege erreicht werden kann.

Der Richtlinienentwurf bleibt jedoch vor allem aufgrund der zahlreichen unbestimmten Rechtsbegriffe hinter den Erwartungen der Geheimnisträger zurück. So erklärt der Richtlinienentwurf all‘ diejenigen Handlungen für rechtmäßig, die gemäß Art. 2a I c mit einer „seriösen Geschäftspraxis“ vereinbar sind. Spiegelbildlich wird dieser unbestimmte Rechtsbegriff abermals im Rahmen der Eingriffstatbestände in Art. 3 II f RL-E bemüht, wonach jedes sonstige Verhalten einen rechtswidrigen Eingriff darstellt, sofern es „unter den jeweiligen Umständen als mit einer seriösen Geschäftspraxis nicht vereinbar gilt“. Wer damit rechnete, dass die Richtlinie einen unionsweiten Schutzstandard schaffen wird, wird sich daher gedulden müssen, bis die unbestimmten Rechtsbegriffe durch „Case law“ mit Leben gefüllt werden.

Unzufriedenheit werden auch die Schrankenregelungen des Art. 4 RL-E hervorrufen. Ohne jede Möglichkeit der Abwägung werden Ansprüche wegen Eingriffs gemäß Art. 4 e) RL-E dann ausgeschlossen, wenn der Verletzer das Geschäftsgeheimnis zum „Schutz eines legitimen Interesses“ nutzte oder offenlegte. Darüber hinaus wird auch der Schutz des Whistleblowers ohne jede Abwägungsmöglichkeit vor die Interessen des Geheimnisträgers gestellt. Gemäß Art. 4 e) RL-E stellt die Nutzung und Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses im Rahmen einer Aufdeckung eines rechtswidrigen Zustands keinen Eingriff dar, wenn die Nutzung und Offenlegung im öffentlichen Interesse erfolgte. Besonders unbefriedigend ist bei dieser Regelung, dass diese nicht mehr – wie noch in der Ursprungsfassung – auf die Erforderlichkeit der Nutzung und Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses abhebt. Der Whistleblower wird mit anderen Worten stets privilegiert.

Rechtsfolgen und Durchsetzung Die vorgeschlagenen Regelungen zur Rechtsdurchsetzung gehen zum Teil leider klar an den Bedürfnissen der Praxis vorbei. In der konkreten Auseinandersetzung sieht sich der Geheimnisträger regelmäßig mit Beweisproblemen und Informationsdefiziten konfrontiert. Der Entwurf hilft dem Rechteinhaber aber weder mit einer Beweislastumkehr, noch sieht er vor, dass die Richter dem vermeintlichen Verletzer die Herausgabe von Informationen über die rechtsverletzenden Produkte aufgeben mögen. Vielmehr sollen die Mitgliedstaaten gem. Art. 10 I RL-E sicherstellen, dass die Gerichte in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vom Antragsteller einen „mutmaßlich ohne Probleme zu beschaffenden Nachweis [dafür] verlangen“, dass die Anspruchsvoraussetzungen gegeben sind. Hieraus wird man nicht den Umkehrschluss ziehen können, Nachweise müssten nicht erbracht werden, wenn sie – in der Diktion des Entwurfs – nicht „ohne Probleme beschafft“ werden können.

Kann das Unternehmen die Beweisproblematik jedoch überwinden, kann sich der Geheimnisträger über einheitliche Rechtsbehelfe freuen, die sowohl im einstweiligen Rechtsschutz als im Hauptsacheverfahren durchgesetzt werden können. Als vorläufige Maßnahmen nennt Art. 9 I RL-E (i) die Untersagung der Nutzung und Offenlegung des betroffenen Geheimnisses, (ii) das Verbot der Herstellung, Vermarktung etc. rechtsverletzender Produkte sowie (iii) deren Beschlagnahme. Im Hauptsacheverfahren können gem. Art. 11 und 13 RL-E darüber hinaus geeignete Abhilfemaßnahmen (wie z. B. Rückruf oder Vernichtung rechtsverletzender Produkte) angeordnet und der Verletzer zur Leistung von Schadensersatz verurteilt werden. Hierin kommt abermals die Aufwertung zum „Quasi-Schutzrecht“ zum Ausdruck.

Praxisfolgen Der Entwurf der kommenden Know-How-Richtlinie erfüllt auch in der überarbeiteten Fassung nicht alle Bedürfnisse der Wirtschaft. Die Unternehmen müssen sich daher mehr denn je verdeutlichen, dass der Schutz von Geschäftsgeheimnissen nur dann gewährleistet werden kann, wenn die Unternehmen vertragliche Schutzmaßnahmen ergreifen und ihre Mitarbeiter im Wege von Schulungen für den Geheimnisschutz sensibilisieren. Sollte sich der deutsche Gesetzgeber entscheiden, die Definition der Geschäftsgeheimnisse entsprechend der Richtlinie zu ändern, werden die Geheimnisträger „angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen“ ergreifen müssen, um Geheimnisschutz zu erlangen. In diesem Fall ist es besonders ratsam, mit ihren Arbeitnehmern während und – soweit gesetzlich im Rahmen des §§ 74 ff HGB zulässig – nach Ende des Arbeitsverhältnisses sowie mit ihren Geschäftspartnern Geheimhaltungsvereinbarungen zu schließen. In den Lizenzvereinbarungen ist es besonders empfehlenswert, Regelungen über das Recht zur Weitergabe der Geschäftsgeheimnisse an Dritte und zur Untersagung des „Reverse Engineering“ aufzunehmen.