Zusammenfassung
Auch bei gewerblichen Mietverträgen können Vermieter das Mietverhältnis nicht aus dem Grund kündigen, dass die Mieter infolge der COVID-19-Pandemie die Mieten für den Zeitraum von 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 nicht zahlen können. Aber gewerbliche Vermieter haben ihrerseits nicht dasselbe Recht, gegenüber kreditfinanzierenden Banken die Rückzahlung von Krediten auszusetzen.
Verlangt wird, dass Mieter glaubhaft machen, dass die Nichtzahlung der Miete auf der COVID-19-Pandemie beruht. Der Nachweis der Ursächlichkeit zwischen COVID-19-Pandemie und Nichtzahlung der Miete sowie das Erfordernis der Glaubhaftmachung können im Einzelfall zu Rechtsunsicherheit führen. Diese Rechtsunsicherheit kann Vermieter und Mieter gleichermaßen treffen. Zu raten ist deshalb, dass Vermieter und Mieter individuelle Vereinbarungen über eine Stundung der Mieten schließen, wenn der Vermieter eine solche Stundung gewähren will. Bei einer Stundungsvereinbarung kann von den Vorgaben des Gesetzes zu Gunsten der Mieter abgewichen werden. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, nur solche Vereinbarungen mit den Mietern zu schließen, die in einem schriftformkonformen Nachtrag zum Mietvertrag festgehalten sind. Zu vermeiden sind daher insbesondere schlichte Anschreiben an den Mieter mit Bitte um Gegenzeichnung, die dann das Risiko beherbergen, das Schriftformgebot (§§ 550, 126 BGB) zu verletzen und zu einer jederzeitigen Kündbarkeit des Mietvertrags führen können, da die mietvertraglichen Festlaufzeiten sich von Gesetzes wegen in unbefristete Mietverträge wandeln würden.
Zahlt der Mieter wegen COVID-19 Miete nicht, kann der Vermieter nicht kündigen
Für Mietverhältnisse über Grundstücke oder über Räume wird das Recht der Vermieter zur Kündigung von Mietverhältnissen eingeschränkt. Dies gilt sowohl für Wohn- als auch für Gewerberaummietverträge. Diese Regelungen werden entsprechend auch auf Pachtverhältnisse erstreckt.
Grundsätzlich sind Vermieter zur Kündigung von Mietverhältnissen berechtigt, wenn Mieter mit der Zahlung der Miete im Rückstand sind in Höhe eines Betrages, der mindestens 2 Monatsmieten entspricht (§ 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB). Dieses Recht der Vermieter wird beschränkt. Wegen Mietschulden aus dem Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 dürfen Vermieter das Mietverhältnis nicht kündigen, sofern die Mietschulden auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruhen. Das Gesetz regelt dies wie folgt (Neufassung von Art. 240 EGBGB):
§ 2 Beschränkung der Kündigung von Miet- und Pachtverhältnissen
- Der Vermieter kann ein Mietverhältnis über Grundstücke oder über Räume nicht allein aus dem Grund kündigen, dass der Mieter im Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 trotz Fälligkeit die Miete nicht leistet, sofern die Nichtleistung auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht. Der Zusammenhang zwischen COVID-19-Pandemie und Nichtleistung ist glaubhaft zu machen. Sonstige Kündigungsrechte bleiben unberührt.
- Von Absatz 1 kann nicht zum Nachteil des Mieters abgewichen werden.
- Die Absätze 1 und 2 sind auf Pachtverhältnisse entsprechend anzuwenden.
- Die Absätze 1 bis 3 sind nur bis zum 30. Juni 2022 anzuwenden.
Auf diese Weise erlaubt das Gesetz den Mietern, die Miete einzubehalten, ohne dass Vermieter zur Kündigung berechtigt sind. Mietrückstände aus dem Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 sind weder ein wichtiger Grund zur außerordentlichen fristlosen Kündigung (§ 543 BGB) noch folgt aus ihnen ein berechtigtes Interesse zur ordentlichen Kündigung auf unbestimmte Zeit abgeschlossener Wohnraummietverhältnisse (§ 573 BGB). Die Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses allein aufgrund solcher Mietrückstände wird dadurch ausgeschlossen. Entsprechendes gilt für die außerordentliche fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses über Grundstücke oder über Räume, die keine Wohnräume sind.
Allerdings gelten diese Kündigungsbeschränkungen nur unter bestimmten Voraussetzungen.
Mietschulden für den Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020
Nur Mietschulden aus dem bezeichneten Zeitraum schließen das Recht der Vermieter zur Kündigung aus. Dieser Zeitraum ist definiert vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 (Art. 240, § 2 Abs. 1 S. 1). Von diesen Regelungen kann nicht zum Nachteil der Mieter abgewichen werden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates diesen Zeitraum auf Zahlungsrückstände zu erstrecken vom 1. Juli 2020 bis längstens zum 30. September 2020 (Art. 240, § 4 Abs. 1 Nr. 2).
Auf sonstige Kündigungsgründe erstreckt sich die Beschränkung des Kündigungsrechts nicht. Vermietern bleibt es unbenommen, im Fall entsprechender Kündigungsrechte die Mietverhältnisse aufgrund von Mietrückständen zu kündigen, die in einem früheren Zeitraum aufgelaufen sind beziehungsweise die aus einem späteren Zeitraum resultieren werden. Vermieter können Kündigungen auch aus sonstigen Gründen erklären, etwa wegen Vertragsverletzungen anderer Art, beispielsweise unbefugter Überlassung der Mietsache an Dritte (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB) oder wegen Eigenbedarfs (§ 573 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB). Soweit das Gesetz die Kündigung eines Mietverhältnisses ohne Gründe zulässt, etwa im Fall unbefristeter Mietverhältnisse über Grundstücke und über Räume, die keine Wohnräume sind (§ 580a Absätze 1 und 2 BGB), bleibt auch diese Kündigungsmöglichkeit unberührt.
Ausfall der Mietzahlung beruht auf Auswirkung der COVID-19-Pandemie
Nur wenn die Nichtleistung der Mietzahlung auf der COVID-19-Pandemie beruht, ist das Recht der Vermieter zur Kündigung ausgeschlossen (Art. 240, § 2 Abs. 1 S. 1). Demgegenüber besteht das Recht der Vermieter zur Kündigung weiterhin, wenn die Nichtleistung der Mieter auf anderen Gründen beruhen, zum Beispiel Zahlungsunwilligkeit.
In der Praxis wird von Bedeutung sein, ob der Mieter den Nachweis erbringen kann, dass die COVID-19-Pandemie Ursache für die Nichtzahlung der Miete ist. Es mag eindeutigere Fälle geben. Wenn etwa Ladengeschäfte infolge hoheitlicher Maßnahmen wegen der COVID-19-Pandemie geschlossen sind und deshalb Mieter nicht die Umsätze erwirtschaften, welche für die Zahlung der Miete erforderlich wären, ist davon auszugehen, dass die Nichtleistung der Miete auf der COVID-19-Pandemie beruht. Dies gilt etwa für Bekleidungsgeschäfte, Gaststätten, etc.. Etwas anderes mag gelten, wenn Mieter nach wie vor die Mieträumlichkeiten nutzen können, aber aus betriebswirtschaftlicher Vorsicht Liquidität halten möchten und deshalb die Miete nicht zahlen. Dies kann insbesondere im Bereich der Bürovermietung gelten. In diesen Fällen ist nicht eindeutig, ob die COVID-19-Pandemie die Ursache für die Nichtzahlung ist. Das Gesetz verlangt im Zweifel den Nachweis, dass COVID-19-Pandemie die Ursache für die Nichtzahlung ist, ohne zu regeln, wie dieser Nachweis zu erbringen ist. Erleichterung würde schaffen, wenn die Mitursächlichkeit anerkannt werden würde, also die COVID-19-Pandemie zumindest eine von mehreren Ursachen sein kann, auf denen die Nichtleistung beruht. So muss man die Vorschrift wohl auch lesen. Aber eine gesetzliche Regelung oder gar gesicherte Rechtsprechung dazu gibt es nicht.
Mieter macht COVID-19-Pandemie als Ursache für Mietausfall glaubhaft
Vielmehr versucht das Gesetz, diese Unsicherheit dadurch zu lösen, dass die Mieter den Zusammenhang zwischen der COVID-19-Pandemie und der Nichtleistung der Miete glaubhaft machen müssen (Art. 240, § 2 Abs. 1 S. 2). Aber dass dadurch die Unsicherheit gelöst wird, muss bezweifelt werden. Glaubhaftmachen ist eine prozessrechtliche Möglichkeit der Beweisführung (§ 294 ZPO) und würde verlangen, dass Mieter Tatsachen darlegen, nach denen es überwiegend wahrscheinlich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2006, IX ZB 60/06, NJW-RR, 2007, 776 [777], Rn. 11), dass ihre Nichtleistung der Miete auf der COVID-19-Pandemie beruht. Somit betrifft Glaubhaftmachung die (prozessuale) Art und Weise des Nachweises, aber nicht den (zivilrechtlich) nachzuweisenden Tatbestand selbst. Die Beurteilung, ob COVID-19-Pandemie die (Mit-)Ursache für die Nichtzahlung ist, beruht auch im Rahmen der Glaubhaftmachung auf einer Einschätzung und Beurteilung. Das schafft Rechtsunsicherheit. Eine solche Rechtsunsicherheit kann zulasten sowohl der Vermieter als auch der Mieter bestehen.
Zu rechnen ist damit, dass gerade vor dem Hintergrund dieser Rechtsunsicherheit sich Vermieter und Mieter einvernehmlich einigen. Zu denken ist daran, die Formulierungen des Gesetzes als Anhalt zu nehmen und individuelle Vereinbarungen zu treffen über Stundungen, Teilzahlungen, Verzugszinsen etc. Gerade in den Fällen, in denen es nicht eindeutig ist, dass die COVID-19-Pandemie die Ursache für die Nichtzahlung ist, ist eine solche einvernehmliche Lösung ratsam. Zu beachten ist, dass die Vereinbarungen zwischen Vermieter und Mieter das Schriftformerfordernis einhalten, soweit Mietverträge im Übrigen dies erfordern.
Für die anderen Fällen, in denen die COVID-19-Pandemie eindeutig Ursache der Nichtzahlung ist, kann eine Glaubhaftmachung erfolgen durch Versicherung an Eides Statt oder sonst geeignete Mittel. Geeignete Mittel können etwa sein die Vorlage der behördliche Verfügung über die Schließung der Verkaufsstätte, der Bescheinigung über die Gewährung staatlicher Leistungen, der Bescheinigungen des Arbeitsgebers oder anderer Nachweise über das Einkommen beziehungsweise über den Verdienstausfall sein.
Mietzahlung ist nach wie vor geschuldet und fällig spätestens am 30. Juni 2022
Die Beschränkungen des Kündigungsrechts gelten bis zum 30. Juni 2022 (Art. 240, § 2 Abs. 4). Danach entsteht das Kündigungsrecht der Vermieter wieder. Dies bedeutet, dass wegen berechtigter Zahlungsrückstände aus der Zeit vom 1. April 2020 bis zum 30. Juni 2020 die Vermieter doch wieder kündigen dürfen, wenn die Rückstände nicht bis zum 30. Juni 2022 ausgeglichen sind. Damit haben Mieter vom 30. Juni 2020 an zwei Jahre Zeit, einen zur Kündigung berechtigenden Mietrückstand auszugleichen.
Ohnehin gewährt das Gesetz den Mietern kein Leistungsverweigerungsrecht. Eigeschränkt sind nur die Rechte der Vermieter zur Kündigung. Die Mieter bleiben nach allgemeinen Grundsätzen zur Leistung verpflichtet. Unberührt bleiben insbesondere die allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen des BGB zur Fälligkeit und zum Verzug. Dies hat zur Folge, dass die Mieter bei nicht fristgerechter Leistung gegebenenfalls in Verzug geraten (§ 286 BGB). Im Fall des Verzugs hätten die Mieter dann die rückständigen Mieten aus dem Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 zu zahlen sowie die darauf entfallenden Verzugszinsen (§ 288 BGB). Es steht dem Vermieter grundsätzlich frei, auch die Zahlung der Mieten für den Zeitraum 1 April bis 30 Juni 2020 zu fordern und ggf. auch gerichtlich einzuklagen, auch vor dem 30. Juni 2022.
Darlehen
Für die gewerblichen Vermieter wäre es von Interesse, im selben Umfang auch gegenüber den kreditfinanzierenden Banken die Zahlungen aussetzen zu dürfen.
Zwar enthält das Gesetz im Grundsatz ähnliche Regelungen zu Darlehen (Art. 240, § 3). Aber diese erfassen derzeit allein Verbraucherdarlehen (§ 491 BGB), das sind solche, die zwischen einen Unternehmer (§ 14 BGB) als Darlehensgeber und einem Verbraucher (§ 13 BGB) als Darlehensnehmer geschlossen sind. Damit sind diese Regelungen auf gewerbliche Vermieter nicht anwendbar. Gewerbliche Vermieter, deren Mieter die Miete für den Zeitraum zwischen 1. April 2020 und 30. Juni 2020 nicht zahlen, könne also ihrerseits nicht gegenüber den Banken die Zahlungen aussetzen.
Vorgesehen ist eine Ermächtigung an das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, mittels Rechtsverordnung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit den Anwendungsbereich auf weitere Darlehensnehmergruppen, insbesondere auf Kleinstunternehmen zu erstrecken (Art 240, § 3 Abs. 8). Eine solche Regelung ist aber noch nicht erlassen.
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