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- Datentransfers nach Schrems II
- BGH: Zum Verhältnis von Kunsturhebergesetz und DSGVO (Medienprivileg)
- LG München I: Anspruch auf Kopien personenbezogener Daten nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO umfassend
- DSGVO Schadensersatz
- LG Frankfurt (Oder): Werbeeinwilligung muss bestimmt sein
- Update zu Kennzeichnungspflichten bei Influencer-Marketing+
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Reed Smith Data Date (virtuelle Diskussionsrunde) am 11. Dezember 2020, 8.30 Uhr zu internationalen Datentransfers. Registrierung über Einladung (folgt) oder Email.
1. Datentransfers nach Schrems II
Der EuGH hat mit Urteil vom 16. Juli 2020 (Az.: C-311/18) entschieden, dass das EU-US Privacy Shield ungülltig ist, die Standardvertragsklauseln weiterhin gültig sind, aber gegebenenfalls zusätzliche Garantien erfordern. Der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) hat Empfehlungen zu den zusätzlichen Garantien veröffentlicht und erläutert mögliche technische, organisatorische und verträgliche Maßnahmen (mehr auf unserem Blog). Außerdem hat die Europäische Kommission einen Entwurf für neue Standardvertragsklauseln veröffentlicht, der nun auch Standardvertragsklauseln für Datentransfers Processor-Processor und Processor-Controller enthält.
Fazit: Unternehmen müssen ihr Transfermapping durchführen und sicherstellen, dass ein ausreichender Transfermechanismus implementiert ist. Behörden sind bereits aktiv zu Datentransfers nach Schrems II.
2. BGH: Zum Verhältnis von Kunsturhebergesetz und DSGVO (Medienprivileg)
von Dr. Philipp Süss, LL.M. / Dr. Alexander Hardinghaus, LL.M.
Der BGH hat mit Urteil vom 7. Juli 2020 (Az.: VI ZR 246/19) entschieden, dass die Rechtmäßigkeit der Bildberichterstattung über Personen auch nach Inkrafttreten der DSGVO weiterhin nach den §§ 22 und 23 des Kunsturhebergesetzes (KunstUrhG) zu bewerten ist. Zur Begründung führt der BGH die landesrechtlichen Vorschriften an, wonach Datenverarbeitungen zu journalistischen Zwecken weitgehend von den die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung betreffenden Vorschriften in Art. 6 und 7 DSGVO ausgenommen sind – die Bundesländer haben somit von der Öffnungsklausel in Art. 85 DSGVO (Medienprivileg) Gebrauch gemacht.
Fazit: Zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Bildberichterstattung über Personen sind die Vorschriften der DSGVO nicht maßgeblich.
3. LG München I: Anspruch auf Kopien personenbezogener Daten nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO umfassend
von Arne Senger, LL.M.
Das LG München I hat mit Urteil vom 6. April 2020 (Az.: 3 O 909/19) entschieden, dass der Anspruch auf Kopien personenbezogener Daten nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO grundsätzlich sämtliche personenbezogenen Daten des Betroffenen umfasst, die sich im Besitz des Verantwortlichen befinden. Danach sind mit dem LG München I insbesondere auch Kopien von personenbezogenen Daten in Form von Telefonnotizen, Aktenvermerken, Protokollen, E-Mails und Briefen auszuhändigen.
Fazit: Das LG München I reiht sich mit diesem Urteil ein in die Rechtsprechung des OLG Köln vom 26. Juli 2019 (Az.: 20 U 75/18) und des LG Landau vom 17. September 2019 (Az.: 3 O 389/17), welche einen umfassenden Auskunftsanspruch gewährt haben. Das LG Ulm hat mit Urteil vom 28. August 2020 (Az.: 3 O 248/19), zuletzt Willenserklärungen als solche (z.B. Widerruf eines Vertrages) vom Anspruch auf Kopien ausgenommen.
4. DSGVO Schadensersatz
In Verfahren um den Ersatz immaterieller Schäden nach Art. 82 DSGVO waren deutsche Gerichte in der Vergangenheit eher zurückhaltend. Sie forderten den Nachweis eines konkreten und erheblichen immateriellen Nachteils. Aus einer Reihe neuerer Entscheidungen kann man aber einen Trend ableiten, der eher in Richtung eines Strafschadensersatzes nach US-amerikanischem Vorbild geht. Denn einige Urteile legen den Begriff des Schadens im Sinne von Art. 82 Abs. 1 DSGVO sehr weit aus, kommen zum Teil z.B. aber noch wegen mangelnder Kausalität dennoch zum Ergebnis, dass kein Schadensersatz zu leisten sei.
Fazit: Sollte sich die weite Auslegung des Begriffs des immateriellen Schadens jedoch durchsetzen und sich auch andere Gerichte dieser Auffassung - wie z.B. zuletzt LG Frankfurt a.M. mit Urteil vom 18. September 2020 (Az.: 2/27 O 100/20) - anschließen, so wäre es nicht überraschend, wenn es demnächst verstärkt zu Schadensersatzprozessen käme.
5. LG Frankfurt (Oder): Werbeeinwilligung muss bestimmt sein
Eine Werbeeinwilligung mit dem Text „Durch Angabe meiner E-Mail-Adresse erkläre ich mich damit einverstanden, dass XY mir regelmäßig Informationen per E-Mail zuschickt." ist nicht hinreichend bestimmt. Diese Entscheidung des LG Frankfurt (Oder) vom 18. Juni 2020 (Az.: 31 O 59/19) bestätigt frühere Rechtsprechung, z.B. des OLG Frankfurt a.M. vom 27. Juni 2019 (Az.: 6 U 6/19). Letzteres entschied, dass eine Werbeeinwilligung klar über das werbende Unternehmen als auch die konkreten Kategorien von Werbemaßnahmen informieren muss.
Fazit: Werbeeinwilligungen sind weiterhin Gegenstand vieler Gerichtsurteile. Faustregel: Werbende müssen versuchen, die Einwilligung so zu formulieren, dass die Nutzer sich bei Abgabe der Einwilligung eine gute Vorstellung davon machen können, von wem sie wie oft welche Arten von Werbemaßnahmen erhalten.
6. Update zu Kennzeichnungspflichten bei Influencer-Marketing
von Ramona Kimmich
Das OLG Karlsruhe mit Urteil vom 9. September 2020 (Az.: 6 U 38/19) und das LG Köln mit Urteil vom 21. Juli 2020 (Az.: 33 O 138/19) haben entschieden, dass sogenannte Tab-Tags Werbung darstellen. Diese Tab-Tags sind Links auf den Fotos von Social-Media-Beiträgen öffentlich zugänglicher Influencer, die nach einem Klick auf das Foto erscheinen und den Nutzer nach einem weiteren Klick zum Social-Media-Profil des verlinkten Herstellerunternehmens leiten. Die Kennzeichnungspflicht gelte unabhängig davon, ob der Influencer für den Beitrag bezahlt wurde.
Das OLG Hamburg beurteilt das mit Urteil vom 2. Juli 2020 (Az.: 15 U 142/19) komplett anders – der kommerzielle Zweck von Beiträgen berühmter Influencer, die Millionen von Follower haben und pro Beitrag Tausende Likes erhalten, ergebe sich unmittelbar aus den Umständen, weshalb eine Kennzeichnung nicht erforderlich sei.
Fazit: Unternehmen, die mit Influencern zusammenarbeiten, sollten die Entwicklungen in diesem Bereich beobachten. Der BGH wird in Kürze die Gelegenheit haben, für mehr Rechtssicherheit zu sorgen, da das OLG Karlsruhe und das OLG Hamburg die Revision zum BGH zugelassen haben.
Lesehinweise zum IT und Datenschutzrecht
- Europäischer Datenschutzausschuss
- Leitlinien zum Verantwortlichen und Auftragsverarbeiter – mehr auf unserem Blog.
- Leitlinien zum Targeting von Social Media Nutzern – mehr auf unserem Blog.
- Stellungnahme zur Zukunft der ePrivacy Verordnung
- Europäische Kommission:
- Datenschutzkonferenz
- Orientierungshilfe zur Videoüberwachung
- Orientierungshilfe und Checkliste zu Videokonferenzsystemen
- Checklisten des BayLDA
- Datenschutzbehörde Niedersachsen: Anforderungen an Cookie-Einwilligungen
- 35 Mio. € Bußgeld gegen H&M – mehr in unserem Beitrag.
- EuGH zu datenschutzrechtlichen Anforderungen an Einwilligungen – mehr auf unserem Blog.